Magersucht ist nicht nur weiblich

Magersucht und andere Essstörungen gelten als Frauenerkrankungen. Stimmt nicht, wie neue Untersuchungen zeigen: knapp ein Drittel der Betroffenen sind Männer.

Auch Männer leiden unter Magersucht.

Grundsätzlich verhalten sich Männer mit einer Magersucht oder einer anderen Essstörung ähnlich wie Frauen: aus Angst, an Körpergewicht zuzunehmen, setzen sie alles daran, ihr Gewicht zu kontrollieren. Dazu missbrauchen sie Abführmittel, fasten oder treiben exzessiv Sport. Ein gemeinsamer Nenner mit weiblichen Betroffenen ist zudem, dass mann sich trotz Untergewicht als zu dick empfindet. Aufgrund dieser Körperbildstörung fällt es ihnen schwer, ihr Essverhalten als „krank“ einzustufen.

Ordentlich Muckis trotz Magersucht

Einen großen Unterschied gibt es allerdings: Männer leiden vielfach unter einer sogenannten muskelorientierten Essstörung. Außer enorm wenig zu essen, betreiben sie deshalb exzessiv Sport. Ziel ist ein übermäßig muskulöser Körper mit geringstmöglichem Fettanteil. Durch ihre gesteigerte sportliche Aktivität erscheinen die Patienten nach außen hin zunächst als gesundheitsbewusst. Denn Anzeichen einer Essstörung sehen vermeintlich anders aus: „Das Erkennen von pathologischen Mustern im Zusammenhang mit Sport ist sehr schwierig“, warnt die Expertin und Psychologin Dr. Barbara Mangweth-Matzek von der Medizinischen Universität Innsbruck. Damit meint sie etwa die sogenannte Muskeldysmorphie. Bei diesem gestörten Selbstbild erscheint den Betroffenen die Ausprägung der eigenen Muskulatur im Vergleich zu ihrer Idealvorstellung als nie ausreichend.

Sexuelle Orientierung hat Einfluss

Untersuchungen zeigen, dass Essstörungen bei Männern mit homo- oder bisexueller Orientierung öfter auftreten. Homosexuelle Männer sind mit zwei bis acht Prozent deutlich häufiger betroffen als heterosexuelle mit 0,3 bis zwei Prozent. Als Grund dafür gibt es verschiedene Erklärungen: „Nicht-heterosexuelle Männer erleben ihren Körper oft als Objekt, das einem schlanken, muskulösen Schönheitsideal unterworfen und damit auch häufig mit Körperunzufriedenheit assoziiert ist“, so Dr. Mangweth-Matzek. Zudem könne die Essstörung als Folge von Stress auftreten, dem sie als Angehörige einer gesellschaftlichen Minderheit ausgesetzt sind.

Männer empfinden sich als doppelt stigmatisiert

Beide Geschlechter empfinden ihre Essstörung meist als Stigma. Bei Männern kommt erschwerend hinzu, dass sie laut öffentlicher Meinung ja eigentlich unter einer typischen Frauenerkrankung leiden. Diese doppelte Stigmatisierung macht die Diagnose sehr schwierig, auch weil erkrankte Männer laut Dr. Mangweth-Matzek noch seltener Hilfe suchen als erkrankte Frauen.

Quelle:

B. Mangweth-Matzek
Herausforderung Gender und Essstörungen: Essstörung ist nicht (nur) weiblich
PiD Psychotherapie im Dialog 2022; 23 (1); S. 34–37
DOI: 10.1055/a-1477-1110

Foto: svetazi / www.fotolia.com
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