Von morgens bis abends nur die eine Frage: esse ich gesund? Orthorexie heißt dieses Phänomen und es birgt große Risiken.
Neben Anorexie, der Magersucht, und Bulimie hat sich der Kreis der Essstörungen unterdessen erweitert. Der Neuzugang heißt Orthorexie. Dabei geht es nicht darum, so wenig wie möglich zu wiegen oder sich nach bewusst übermäßigem Essen per Erbrechen wieder von den Kalorien zu befreien. Wer orthorektisch ist, leidet unter der Sucht, sich perfekt gesund zu ernähren. Im Mittelpunkt steht also nicht die Menge, sondern die Qualität. Diese Essstörung hat mindest so fatale Auswirkungen wie die anderen.
Gesund essen als Bürgerpflicht
Wie soll ich mich ernähren, vegetarisch, vegan …? Die Auseinandersetzung mit diesen und anderen Fragen rund um das Thema gesund Essen nimmt in unseren Zivilisationsgesellschaften rasant zu: Ein Phänomen unserer Wohlstands- und Überflussgesellschaft, das die tägliche Ernährung in einem nie zuvor dagewesenen Ausmaß hinterfragt.
Prinzipiell ist es ja zu begrüßen, dass in der Bevölkerung ein starkes Bewusstsein für gesunde Ernährung herrscht – sofern daraus keine Ideologie gemacht wird. Was leider inzwischen oft der Fall ist. Proportional zum steigenden Übermaß an Menge und Auswahl bei unserer Ernährung, findet bei nun vielfach auch die Beschäftigung damit im Übermaß statt. Futter dafür – im doppelten Wortsinn – bekommen wir kontinuierlich geliefert: Beinahe täglich servieren uns Forscher neue Erkenntnisse zur Ernährung. Doch an den Früchten der Erkenntnis kann man sich auch überessen … Die wachsende Informationsflut aus den Medien und dem Internet stiftet nämlich reichlich Verwirrung. Irritierend an den Ratschlägen zum richtigen Essen ist nicht nur deren Vielzahl, sondern auch deren Widersprüchlichkeit. Denn nur allzu häufig ist das, was gestern als gesund galt, am nächsten Tag ein Problembär.
Orthorexie macht und ist ein Problem
Welche Blüten die (zu) intensive Auseinandersetzung mit der Ernährung treiben kann, führt uns die Orthorexie vor Augen. So wird das zwanghafte Bemühen darum genannt, gesunde Nahrungsmittel zu sich zu nehmen. Ob es sich dabei tatsächlich um eine krankhafte Essstörung oder „nur“ um eine Modeerscheinung handelt, wird in Expertenkreisen noch kontrovers diskutiert. Einerlei: die geradezu besessene Fixierung auf perfektes Essen kann ziemlich ungesunde Folgen haben. So sind die davon Betroffenen teilweise gefährlich untergewichtig und weisen massive Mängel an lebenswichtigen Vitaminen oder Mineralstoffen auf. Dazu addieren sich bei Frauen – die nebenbei bemerkt am häufigsten unter Orthorexie leiden – Zyklusanomalitäten wie eine ausbleibende Periode sowie mitunter sogar Unfruchtbarkeit. Eine weitere Konsequenz des partout im jeden Preis Gesundessens ist eine deutlich erhöhte Infektanfälligkeit.
Die eben geschilderten Auswirkungen sind gut nachvollziehbar. Denn im fanatischen Bemühen um die richtige Qualität der Nahrung landet bei der Orthorexie vieles mit auf dem Index, was für unsere Gesunderhaltung wichtig ist.