In einem spannenden Projekt entwickeln internationale Wissenschaftler ein virtuelles Herz. Damit können Medikamente getestet und Tierversuche endlich wirksam reduziert werden.
Stellen Sie sich vor, Sie sehen ein Herz und in Wirklichkeit ist es gar keines. Warum? Weil es ein virtuelles Herz ist. Ein solches entsteht derzeit beim „Living Heart Project“: Renommierte Forscher aus aller Welt bauen ein Modell des menschlichen Herzens und seiner Funktionen. Das Großforschungsprojekt ermöglicht es, Medikamente und medizinische Verfahren für das Herz virtuell zu testen und zu planen. Auf diese Weise lassen sich Risiken und Nebenwirkungen vermindern. Ebenso wichtig und sehr begrüßenswert: Tierversuche können reduziert werden.
Virtuelles Herz schon länger in Planung
Kann man ein so komplexes menschliches Organ wie das Herz am Computer originalgetreu abbilden? Ein internationales Forscherteam am Institut für Angewandte Mathematik und Statistik der Universität Hohenheim meint, das geht. Die Idee ist nicht neu: Virtuelle Modelle von Organen zu entwickeln, treibt Wissenschaftler seit längerem um. Nun wird der lang gehegte Plan endlich umgesetzt: Im „Living Heart Project“ bringen Forscher ihre bisherigen Ergebnisse zusammen und entwickeln gemeinsam ein Computermodell des menschlichen Herzens. Anhand dessen wird simuliert, wie das Herz auf Faktoren wie Krankheiten, Medikamente oder medizinische Eingriffe reagiert.
Computermodelle machen´s möglich
Mit Hilfe von Computersimulationen lassen sich die Auswirkungen von Medikamenten auf das Herz schnell und zuverlässig testen. Um das Verhalten von Herzmuskelzellen im Modell abzubilden, werden sie im Labor nachgezüchtet und auf die Elektroden eines Chips aufgetragen. Dieser zeichnet die Ausbreitung der elektrischen Signale der Zellen auf, die zur Kontraktion des Herzmuskels führen – er misst also den Rhythmus des Herzschlags. Wird ein Wirkstoff auf die Zellen gegeben, erfasst der Chip, wie diese darauf reagieren.
Derzeit testen die Wissenschaftler einzelne Zellen und Zellverbünde. Danach übertragen sie die Ergebnisse auf das gesamte Herz. So werden Medikamententests schneller, sicherer und günstiger. Denn bereits bei der Entwicklung eines Wirkstoffs checkt der Computer mögliche Nebenwirkungen auf das menschliche Herz – bevor er an Tieren und Menschen getestet wird. Das virtuelle Herz bietet damit auch eine Alternative zu Tierversuchen. In naher Zukunft kann es diese überflüssig machen; endlich …
Mathematik in der Medizin
Die Mathematik wird zukünftig in der Medizin eine immer größere Rolle spielen. So könnten etwa mit Hilfe des Herzmodells künftig auch eine Operation oder medizintechnische Geräte wie Herzschrittmacher zunächst am Computer geplant und optimiert werden. Ein virtuelles Herz kann auch in der Lehre zum Einsatz kommen oder Medizinern erlauben, sich in einer Art virtuellen Begehung auf schwierige Operationen vorzubereiten. Langfristig sollen Modelle wie das „Living Heart“ sogar noch viel mehr können: Mathematische Methoden sollen es ermöglichen, aus unterschiedlichsten Daten eines Patienten – vom Genom bis zum Körperscan – ein Modell seines Herzens zu erzeugen. So könnte dann, ganz individuell, die für diesen Patienten bestmögliche Therapie berechnet werden.
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