Für Migräne gibt es längst wirksame gut verträgliche Mittel. Doch diese moderne Migränebehandlung wird zu selten und zu spät eingesetzt.
Monoklonale Antikörper wie Eptinezumab, Fremanezumab, Galcanezumab und Erenumab können Migräne-Attacken erfolgreich vorbeugen. Denn sie blockieren gezielt eine entscheidende Struktur: Nämlich den Eiweißstoff namens CGRP, kurz für Calcitonin Gene-Related Peptide. Diese CGRP-Antikörper sind seit Anfang 2019 in Deutschland zur Vorbeugung von Migräne zugelassen. Studien belegen, dass ihr frühzeitiger Einsatz das Risiko einer Chronifizierung effektiv senken kann *. Damit werden vielfältige körperliche, psychische und soziale Beeinträchtigungen vermieden. So senkte etwa Erenumab die Migränetage bei Patient:innen mit episodischer Migräne sechsmal häufiger um mindestens fünfzig Prozent verglichen mit herkömmlichen, unspezifischen Mitteln zur Migränevorbeugung. Zudem waren Nebenwirkungen seltener und die Therapietreue höher. Viele Betroffene blieben mit dieser Migränebehandlung über ein Jahr stabil **.
Moderne Migränebehandlung bleibt die Ausnahme
Doch ungeachtet der belegt hohen Wirksamkeit und der guten Datenlage klafft zwischen wissenschaftlicher Empfehlung und Praxis eine große Kluft. Das zeigt eine Datenauswertung aus dem DMKG-Kopfschmerzregister in der Behandlung schwerer Migräne *** und deckt sich mit den Erfahrungen der Fachärzte. „Wir Neurologen beobachten, dass viele Betroffene zuvor über Jahre erfolglos mit unspezifischen Medikamenten behandelt wurden. Erst bei starker Chronifizierung werden CGRP-Therapien überhaupt in Betracht gezogen – dabei wäre gerade eine frühe Therapie entscheidend, um eine Chronifizierung zu verhindern“, betont PD Dr. Lars Neeb, Präsident der DMKG. Doch der frühzeitige Einsatz moderner CGRP-Therapien wird oft durch kassenärztliche Vorgaben für die Verordnung und Kostenrestriktionen erschwert. Das muss sich dringend ändern. Denn eine verzögerte Behandlung führt zu höherer Krankheitslast und steigenden direkten sowie indirekten Gesundheitskosten. Deshalb ist Umdenken angesagt: Statt sich kurzfristig auf Arzneimittelkosten zu beschränken, müssen die Gesamtkosten der Erkrankung bei den vorrangig berufstätigen Patientinnen und Patienten berücksichtigt werden.