Praxishochdruck: wenn der Kittel Druck macht

Praxishochdruck: Sie kommen zur Blutdruckmessung zum Arzt und schon schnellen die Blutdruckwerte in die Höhe. Nicht selten um 20 mm/Hg.

Weiße Kittel können Praxishochdruck erzeugen.

Außerhalb der Arztpraxis sind die Werte vollkommen normal. Wiederholt der Arzt die Blutdruckmessung, sinken die Werte mitunter etwas, bleiben aber dennoch insgesamt zu hoch. Bei immerhin rund 20 Prozent der Bundesbürger, allen voran den männlichen, tritt das geschilderte Szenario in schöner Regelmäßigkeit auf. Sie alle leiden unter einer so genannten “Weißkittel-Hypertonie”: Bluthochdruck, der nur in der Arztpraxis auftritt. Wie der Begriff entstand, liegt nahe: Ärzte und Praxispersonal trugen oftmals weiße Kittel. Dass immer mehr Mediziner ihre Patienten in Zivil empfangen, tut dem Phänomen aber keinen Abbruch: Der Blutdruck steigt in der Regel bereits dann, wenn der Betreffende die Tür zur Arztpraxis öffnet und gar keinen Weißkittel zu Gesicht bekommt. Angesichts dieser Begriffsverwirrung sprechen viele Mediziner inzwischen lieber vom “Praxishochdruck”.

Fahndung nach den Ursachen

Einerlei welchen Namen das Phänomen trägt, seine Ursachen sind noch nicht zur wissenschaftlichen Zufriedenheit geklärt. Experten rätseln nach wie vor, warum manchen Zeitgenossen ärztliche Konsultationen ans Herz gehen – und in Folge dessen ihren Blutdruck steigen lassen. Ein Erklärungsmodell für den Praxishochdruck geht davon aus, dass Arztbesuche bei einigen Menschen aus gesundheitsbedingten Ängsten Stress auslösen. Sie sind deshalb angespannt und der Blutdruck erhöht sich kurzfristig. Der “Fluchtreflex” vor dem Arzt und möglichen unerfreulichen Diagnosen ist eine These der Ursachensuche.

Eine andere attestiert den Praxishypertonikern psychische Probleme. Zu diesem Schluss kam eine Studie von Psychologen der Technischen Universität Dresden. Darin wurden 400 Menschen mit Praxishochdruck psychologisch untersucht: die überwiegende Mehrheit der Betroffenen leide unter unbewussten sozialen Ängsten und seien im Kontakt mit anderen Menschen äußerst unsicher. Den Dresdner Psychologen zu Folge fehlt es den meisten Praxishypertonikern an Durchsetzungsvermögen und Selbstbewusstsein.

Tatsächlich Bluthochdruck oder “nur” Praxishochdruck?

Wenn die Blutdruckwerte in der Arztpraxis zu hoch sind, ist das noch lange kein Indiz dafür, dass der Betreffende unter Hypertonie leidet. Klarheit, ob Bluthochdruck vorliegt oder nicht, bringt letztlich nur eine Langzeitmessung. Besteht der Verdacht, dass die Werte einzig bei der ärztlichen Messung erhöht sind, kann eine Erfassung des Blutdrucks über 24 Stunden Aufschluss geben. Die Auswertung der Messergebnisse kann dann die Diagnose Bluthochdruck endgültig bestätigen – oder ausschließen.

Auf die Langzeitmessung sollte nicht verzichtet werden. Denn andernfalls besteht die Gefahr, dass der vermeintliche Hochdruckpatient blutdrucksenkende Medikamente verschrieben bekommt und einnimmt, obwohl seine Werte außerhalb der Arztpraxis normal sind. Anders herum kann es ohne den klaren Befund aus der Langzeitmessung geschehen, dass eine tatsächlich bestehende Hypertonie nicht erkannt und nicht behandelt wird.

Vorsicht ist in jedem Fall geboten

Hat sich gezeigt, dass es sich wirklich “nur” um Praxishochdruck handelt, ist vielfach keine Behandlung mit Medikamenten erforderlich. Da sich jedoch aus den erhöhten Werten beim Arzt jederzeit ein echter Bluthochdruck entwickeln kann, raten Experten den Betroffenen zu einer gesunden Lebensweise. Abgesehen von dem erhöhten Risiko für die Entstehung einer Hypertonie ist inzwischen erwiesen, dass auch vorübergehend zu hohe Blutdruckwerte Gefäße und Herz schädigen können. Wie ernst Praxishochdruck genommen werden muss, belegte unter anderem eine Studie italienischer Kardiologen. Sie fanden heraus, dass bei Menschen mit Weißkittel-Hypertonie die linke Herzkammer vergrößert ist. Zudem zeigte sich, dass die Wände der linken Herzkammer dicker sind als bei Menschen mit normalem Blutdruck. Fazit: Auch ein ab und an erhöhter Blutdruck ist eine Gefahr für die Gesundheit.

Foto: © Aycatcher / Fotolia
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