Sie sind unterschätzte Volkskrankheiten: Venenerkrankungen sind auf dem Vormarsch. Auch bei den Jüngeren unter uns. Von wegen „typische Alterserscheinung“ …
Dafür, wie schlecht es um die Venengesundheit der Bundesbürger bestellt ist, hat die Bonner Venenstudie eindrucksvolle Belege parat*. Ihren Ergebnissen zufolge haben 90 Prozent der Deutschen Probleme mit den Venen – die meisten, ohne es zu wissen. 23 Prozent der Erwachsenen zwischen 18 und 79 Jahren weisen Krampfadern auf, allerdings noch ohne Symptome wie eine chronisch-venöse Insuffizienz (CVI). 17 Prozent der eben genannten Altersgruppe leidet unter ausgeprägten Krampfadern. Diese haben bei vielen der Betroffenen schwerwiegende Konsequenzen: Jährlich erleiden 230.000 Bundesbürger eine Venenthrombose. Jeder fünfte Thrombosepatient entwickelt binnen fünf Jahren ein offenes Bein, bei rund 100.000 kommt es zu einer Embolie. An dieser gefürchteten Komplikation versterben bundesweit jährlich 25. bis 30.000 Menschen – eine der häufigsten Todesursachen hierzulande. Dramatische Zahlen, die erschrecken und zugleich zeigen: Venenerkrankungen sind zu Volkskrankheiten geworden.
Fragen zur Venengesundheit an den Venenexperten Dr. Jan-Peter Siegers, Phlebologe und Chefarzt des Venenzentrums Elbe-Weser.
Sehr geehrter Herr Dr. Siegers, warum nehmen Venenerkrankungen so drastisch zu?
Ausschlaggebend hierfür sind zum Einen ganz klar die heutigen Lifestyle-Faktoren: Bewegungsmangel und Übergewicht lasten enorm auf der Venengesundheit. Zum Anderen liegt der Fokus heute viel mehr auf Gesundheit. Früher wurden Venenerkrankungen seltener registriert und als behandlungsbedürftig wahrgenommen. Die Zunahme rührt mithin auch daher, dass heute mehr Venenleiden erkannt werden. Natürlich spielt auch die demographische Entwicklung eine große Rolle, denn mit jedem Lebensjahr mehr steigt das Risiko für Venenerkrankungen.
Wie erfolgt die Diagnose?
Das Wichtigste ist erst einmal die körperliche Untersuchung und die Erkennung von spezifischen Veränderungen. Dazu gehören sichtbare und schmerzende Krampfadern, verhärtete Hautareale am Unterschenkel sowie bräunliche Gefäßnester an den Innenknöcheln. Dann führt der Facharzt spezielle Venenfunktionstests durch. Dazu gehört auch eine Duplexsonographie. Dabei handelt es sich um eine farbcodierte Ultraschalluntersuchung, im Zuge derer der Blutfluss in den Beinvenen dargestellt werden kann.
Welche Behandlungsmethoden kommen zum Einsatz?
Dies richtet sich nach dem Schweregrad der Venenerkrankung. Die Spannbreite reicht von der Kompressionsbehandlung in Kombination mit Venentherapeutika wie Rosskastanien-Extrakt bis hin zu Operationen zur Krampfaderentfernung.
Lässt sich Venenerkrankungen vorbeugen und wie?
Die Gefahr, an Venenleiden zu erkranken kann in der Tat wirksam gesenkt werden. Ganz oben auf der Liste der vorbeugenden Maßnahmen steht: Normalgewicht anstreben und halten. Ebenso sehr wichtig ist ausreichende und regelmäßige sportliche Aktivität. Wer in Risikoberufen tätig ist, die langes Stehen oder Sitzen erfordern, sollte Kompressionsstrümpfe tragen. Das gilt übrigens auch für lange Reisen im Flugzeug oder Auto. Weiterhin gehören zur Vorbeugung der Verzicht auf Nikotin, moderater Genuss von Alkohol und nicht zuletzt eine gesundheitsbewusste Ernährung.
Spielt also auch die Ernährung eine Rolle für die Venengesundheit?
Ganz eindeutig. Wir wissen heute, dass bei Venenleiden die gleichen Ernährungsfaktoren eine Rolle spielen wie bei arteriellen Gefäßerkrankungen – was hier gilt, muss auch dort beachtet werden. Das heißt konkret, sich cholesterinbewusst und eiweißreich zu ernähren. Die Zufuhr von Kohlenhydraten und tierischen Fetten sollte eingeschränkt werden. Sehr positiv wirken sich zudem die anti-inflammatorischen Diäten auf die Venengesundheit aus. Dazu werden wissenschaftliche Untersuchungen künftig noch interessante Ergebnisse liefern.
*Rabe E. et al. Bonner Venenstudie der Deutschen Gesellschaft für Phlebologie Epidemiologische Untersuchung zur Frage der Häufigkeit und Ausprägung von chronischen Venenkrankheiten in der städtischen und ländlichen Wohnbevölkerung. Phlebologie 2003; 32 1: 1-14.
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