Immer mehr Menschen leiden unter Erkrankungen der Verdauungsorgane. Doch diese Volkskrankheiten werden als solche unterschätzt – das muss sich ändern.
Waren in den letzten Jahrzehnten Rückenbeschwerden das Volksleiden schlechthin, schicken sich inzwischen Probleme im Bauchraum dazu an: 25 Prozent der Bevölkerung in den Industrieländern sind bereits davon betroffen, Tendenz weiter steigend. Denn bekanntlich leben wir heute länger. Dank dieser demographischen Entwicklung werden die Volkskrankheiten im Bauch bis zum Jahr 2032 voraussichtlich um 22 Prozent zunehmen. Diesen Blick in die Glaskugel wagt übrigens die Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten, kurz DGVS.
Wachsende Relevanz
- Erkrankungen der Verdauungsorgane sind nach den Herz-Kreislauf-Störungen die mit Abstand häufigsten Krankheiten der Deutschen.
- Neun Millionen Menschen bundesweit leiden unter Reflux-Krankheit, vom Reizdarmsyndrom sind 12 Millionen Bundesbürger betroffen.
- 13 Prozent der Bevölkerung hat regelmäßig Blähungen, elf Prozent regelmäßig Bauchschmerzen.
- Bei sechs Millionen Deutschen wird jedes Jahr eine Endoskopie, etwa im Rahmen der Darmkrebsvorsorge, gemacht.
- Jährlich werden rund zwei Millionen Bundesbürger, die an einer Erkrankung des Verdauungssystems leiden, im Krankenhaus behandelt. Dies erfordert mehr als elf Millionen Belegungstage – doppelt so viele wie bei den Erkrankungen der Lunge oder den psychischen Leiden und dreimal so viele wie bei Infektionskrankheiten.
- Eine Krebserkrankung der Verdauungsorgane ist häufiger als die der Lunge und mehr als doppelt so häufig wie der Brustkrebs der Frau.
- Mehr als 37.000 Bundesbürger sterben jedes Jahr an Krankheiten der Verdauungsorgane – weit mehr als beispielsweise an Infektionskrankheiten, Diabetes oder Demenz.
Ganz schön teuer …
Angesichts der großen Zahl der Betroffenen verwundert es nicht, dass Beschwerden mit der Verdauung auch eine hohe wirtschaftliche Belastung sind. Auf ihr Konto, im wahrsten Sinn des Wortes, gehen bundesweit jährlich viele Milliarden an Euro. Das hat das Statistische Bundesamt ausgerechnet: Die direkten Kosten, also für Arztbesuche und Krankenhausaufenthalte, Medikamente und Diagnostik, belaufen sich auf 34,8 Milliarden (!) Euro. In ähnlich hohen Sphären bewegen sich die indirekten Kosten – jene, die durch den Ausfall der Betroffenen und verminderter Leistungsfähigkeit im Job sowie durch Frühverrentung entstehen. Kein Wunder, schließlich sind Krankheiten der Verdauungsorgane den Statistikern zufolge verantwortlich für fast zehn Millionen Tage Arbeitsunfähigkeit im Jahr.
Volkskrankheiten, aber verkannt
Allen Zahlen und Statistiken zum Trotz: Erkrankungen im Bereich der Verdauungsorgane werden dennoch nicht als Volkskrankheiten wahrgenommen. Bislang zumindest noch nicht. Angesichts der Zunahme dieser Beschwerden, ihrer gesundheitlichen Risiken und den hohen Kosten, die sie verursachen, wird sich das ändern. Ändern müssen …
Derzeit sind Verdauungsbeschwerden in der Gesundheits- und Forschungspolitik allerdings nach wie vor auf einem recht niedrigem Niveau angesiedelt – wie Experten, etwa von der DGVS kritisieren. Unter ihnen kursiert nicht umsonst der Begriff der vergessenen beziehungsweise ignorierten Volkskrankheiten.
„Gastro… was?“
Im Frühjahr 2017 hat die DGVS getestet, wie es um das Wissen von “Otto-Normalverbraucher” über den Begriff Gastroenterologie steht: Ob er damit etwas anfangen kann – und weiß, worum es sich handelt? Eine kleine Umfrage dazu auf dem Berliner Alexanderplatz kam zu ernüchternden Ergebnissen: Denn viele der Passanten verbanden das Wort Gastroenterologie vornehmlich mit dem Gaststättengewerbe. Andere wiederum waren der Ansicht, dies habe mit der Verarbeitung von Lebensmitteln zu tun. Auf die Idee, „ach ja, das ist was mit den Beschwerden im Bauch“ kamen die wenigsten. Ganz offensichtlich bedarf es in Sachen Bauch noch einiges an Aufklärungsarbeit in der deutschen Bevölkerung.
Quelle: DGVS